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Laufsteg-Etikette

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Edith Wharton, meine Damen und Herren, diese zu Recht berühmte amerikanische Gesellschaftsdichterin, hat einst festgestellt: «Entkleide die Welt ihrer spröden, pedantischen und selbstgefälligen Inhalte und siehe, wie sich in ihr plötzlich das menschliche Verlangen nach Symmetrie, Harmonie und Ordnung ausdrückt.» Dafür sind natürlich Modeschauen der völlig falsche Ort. Und auch die sogenannten Zurich Fashion Days. Die waren ja letzte Woche. Ein Anlass, der nur ganz am Rande mit den grossen Fashion Weeks zu tun hat und über dessen Relevanz in der Modewelt man sich streiten kann (wie man auch füglich darüber streiten könnte, ob «Relevanz in der Modewelt» eventuell ein Oxymoron wäre und ob nun wirklich jedes Städtchen einen Modeanlass und ein Filmfestival braucht oder ob das Städtchen nicht vielleicht gerade durch diese Bemühungen noch provinzieller wirke; aber, nein, we won’t open that can of worms). Egal, ich bin ihr gerne gefolgt, der Einladung an die Opening Gala der Mercedes-Benz Fashion Days Zurich, nicht unbedingt wegen der polnischen Plastikkleider mit zu vielen Öffnungen und Reissverschlüssen, sondern nicht zuletzt aus gesellschaftlichen Gründen.

Das Milieu ist ja faszinierend. Quasi an der Flanke eines heissen Speikegels zynischer Vernunft entsteht hier ein Hain ganz seltsamer Gewächse, ein hermetischer Kosmos mit eigenen Regeln, darinnen dem Literaturbetrieb nicht unähnlich oder den Dauercampern. Zufällig hatte ich kurz zuvor im britischen Magazin «Tatler», einer meiner Lieblingsflugzeuglektüren, gelesen, was ich in der Praxis dieses Milieus schon oft bestätigt fand. Das bombensichere Fallback-Thema für den Small Talk mit Modemenschen lautet: andere Modemenschen. (Bei Models, weiblich oder männlich, ist das Small-Talk-Fallback-Thema gemäss «Tatler»: Philosophie. Und bei Autoren, übrigens: sie selbst. Was immer Sie damit anfangen wollen). Ja, es ist zulässig, sich am Rande des Laufstegs auch während der Show zu unterhalten, natürlich diskret und gedämpft; umso diskreter und gedämpfter, je sichtbarer man sitzt. Und je sichtbarer man sitzt, desto wichtiger ist man. Und apropos diskret und gedämpft: Man donnert sich nicht auf. Zum Besuch einer Modeschau, meine ich. Das ist ja irgendwie ganz sweet, wenn die anderen das machen, aber es ist trotzdem frowned upon. Jede Sphäre hat, wir sagten es schon, ihre Originale, auch die Modewelt, deren Originale sich regelmässig nicht dadurch auszeichnen, dass sie nun besonders aufgetakelt wären (okay, bis auf André Leon Talley, natürlich), sondern vielmehr dadurch, dass sie irgendein Markenzeichen haben, eine Trademark, die sich nie ändert, gerne einen bestimmten Haarstil, zum Beispiel: einen Zopf, einen Bob oder eine Pompadour-Frisur. Alles ohne grossen (sichtbaren) Aufwand. Bloss keinen sichtbaren Aufwand. Dazu gehört auch, dass man sich nicht unbedingt anziehen sollte wie die Williams Sisters, wenn die eigene Rhinoplastik mutmasslich noch vom Nasenjoseph persönlich exekutiert wurde. Und so wollte man einigen Damen zurufen: «Lay down the weapons, ladies, time has won.»

Aber das macht man natürlich nicht. Darüber hinaus setzt man, besonders in der ersten Reihe (fachsprachlich: «frow»), während der Show mit Vorteil einen Gesichtsausdruck auf, der mindestens so vakant ist wie jener der Models auf dem Laufsteg. Sie dürfen allerdings Ihr universelles Einverständnis mit allem, was Sie umgibt, durch Synchronisation der Körperhaltungen darstellen (siehe Bild oben). Des Weiteren: Man klatscht nicht rhythmisch, man macht keine Fotos, und die Sitzordnung ist, wie gesagt und wie stets in Gesellschaft, Emblem der Hierarchie. Schliesslich: Am Ende steht das Publikum in toto ruckartig und gleichzeitig wie nach geheimer Verabredung auf und geht sofort, ohne Verzug. Das sofortige Gehen ist ein Ausweis von Wichtigkeit. Am Ausgang wurden die Goodie Bags verteilt. Die Gesellschaft stürzte sich darauf wie eine Horde Drag Queens auf Perücken im Ausverkauf. Aww, I heart fashion!

Der Beitrag Laufsteg-Etikette erschien zuerst auf Blog Magazin.


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